Der Liberalismus als Hoffnung
„Der Liberalismus […] ist die Anwendung der Lehren der Wissenschaft auf das gesellschaftliche Leben der Menschen.“
Ludwig von Mises, Liberalismus (1927).
In der Geschichte der Menschheit hat noch nie eine Weltanschauung oder eine Lehre vorgegeben, seinen Anhängern, Unterdrückung, Verbrechen, Tod, Verderben und Unfreiheit zu bescheren. Stets traten alle Sozialreformer damit an, Freiheit, Frieden, Wohlstand und Glück zu versprechen.
Auch die brutalsten und menschenverachtendsten Ideologien, wie der Nationalsozialismus oder der Stalinismus, bilden da keine Ausnahme. Das liegt daran, dass Menschen immer nach Freiheit streben. Die Freiheit des Menschen hängt mit seiner Fähigkeit zusammen, einen freien Willen zu bilden.
Der freie Wille wiederum hängt an unserer Urteilskraft. Weil wir die Welt interpretieren können, weil wir uns verschiedene Vorstellungen der Zukunft machen können, können wir wählen. Wir können uns zwischen verschiedenen Handlungsalternativen jene aussuchen, die uns besser als die anderen erscheint.
Damit ist ein Leben ohne Freiheit für den Menschen gar nicht möglich. Es ist also widersinnig, wie das immer wieder geschieht, von Freiheit als einem Wert zu sprechen. Noch dazu von einem rein westlichen-europäischen Wert.
Freiheit ist eine universale Eigenschaft des Menschen. Weil das Wählen von Alternativen beinhaltet, dass wir glauben, unsere Lage durch unsere Wahl verbessern zu können, streben Menschen auch immer weiter nach Freiheit. Freiheit ist ein unteilbares Prinzip. Würden alle Menschen diese Zusammenhänge reflektieren, wären alle Menschen Liberale.
Ein Mensch kann nicht wollen, in nur einem Bereich seinen Entscheidungen überlassen zu werden und ansonsten den Befehlen eines anderen gehorchen zu müssen. Die Logik der Freiheit fordert universelle Freiheit.
Außerdem verstrickt sich jede Herrschaft in das Paradox, dass die Freiheit des Herrschers nicht beschränkt ist. Warum ist aber der eine Mensch zum Knecht, der andere zum Herrscher geboren? Was gibt dem einen das Recht, sich andere zu seinen Untertanen zu machen?
Und was, wenn die Untertanen eines Tages ihre Fesseln sprengen? Das Gewaltprinzip kann keine Gesellschaft begründen. Es führt zur Selbstauflösung.
Der Mensch bildet Gemeinschaften, um zu überleben. Jeder menschliche Zusammenschluss bedeutet eine Beschränkung der Freiheit des Einzelnen. Warum gehen Menschen eine solche Beschränkung freiwillig ein?
Weil die Einschränkung haushoch abgegolten wird, durch die vielen Ziele, die ein Einzelner nur mithilfe einer Gruppe von Gefährten erreichen kann. Die formale Freiheit des Einzelnen in der Gruppe ist daher nie die gleiche wie die eines Robinson Crusoe.
Aber in der Realität würde Robinson Crusoe ziemlich schnell verhungern, an Krankheit oder Einsamkeit sterben. Der Mensch kann daher mithilfe seiner Mitmenschen seine Freiheit exorbitant steigern.
Durch dieses Urgründungsdokument der Vergemeinschaftung kommt allerdings auch die bedrohliche Seite der Gesellschaft in den Blick. Sie kann auch die Freiheit des Einzelnen ersticken. Sie kann ihn unterdrücken. Der Kampf des Einzelnen in der Gesellschaft entscheidet sich an der Freiheit. Die Freiheit bleibt stets ein bedrohtes Gut.
Doch gibt es auch natürliche Gegentendenzen. Schon in den Urstämmen der ersten menschlichen Entwicklungen ist das Mittel der Wahl, um gemeinsam zu überleben, die Kooperation durch Arbeits- und Wissensteilung. Sie wird eingerahmt und erhalten durch die basalen Triebe und Instinkte, welche mithilfe von Gefühlen die Mitglieder der Gruppe aneinanderbinden.
Blut ist dicker als Tinte. Die Familienbanden sind die ersten menschlichen Zivilisationen.
Die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen, nicht-verwandten und sich nicht näher bekannten Familien war der epochale Schritt hin zur modernen Gesellschaft. Die Gesellschaft wird abstrakt und unpersönlich. Zwischen ihnen gilt nur das Band des wechselseitigen Eigennutzes.
Man tauscht und handelt gemeinsam, um die Vorteile der Arbeitsteilung nicht nur nach innen, in der Kleingruppe, nutzen zu können, sondern auch nach außen einzusetzen.
Der Prozess dieser Ausdifferenzierung der Gesellschaft nach dem Tauschprinzip stürzte alle bisherigen Normen und statischen Verfassungen hinfort. Von nun an galt es, das Marktprinzip weiter auszudehnen. In diesem Sinne gibt es nur kapitalistische Ökonomien.
Auch die realsozialistischen Staaten versuchten ja, Kapitalgüter zu erzeugen. Kapital besteht in all jenen Gütern und Produktionsmethoden, mit deren Hilfe man Konsumgüter oder Dienstleistungen herstellen oder bereitstellen kann.
Daher ist der Gegensatz von Kapitalismus und Sozialismus als Wirtschaftsformen absurd. Die These des Sozialismus war zu glauben, man könne das Privateigentum eliminieren und durch staatliche Planung mehr Kapital anhäufen.
Diese These hat sich als kolossaler Irrtum erwiesen. Das Privateigentum ist die Basis des Wohlstands. Es ist der Schutz des Individuums vor der Gesellschaft und die friedensstiftende Kraft zwischen freien Menschen schlechthin.
Nie verhalten sich Menschen so feindselig, wie bei Konflikten über ungeklärte Eigentumsverhältnisse. Das Eigentum erweitert die Freiheit von der Verfügung über den menschlichen Leib auf die physischen Dinge. Ohne Eigentum gibt es keine Bürger, die aus freien Stücken wirtschaften.
In der Gemeinwirtschaft sind alle Menschen entweder Bürokraten, Angestellte oder Sklaven.
Die Ausbreitung des Liberalismus fällt damit mit der Ausbreitung der Zivilisation zusammen. Als Ordnung braucht der Liberalismus nur einen Rechtsrahmen, der Verbrechen und Angriffe auf die Freiheit ahndet, einen Staat, der nach außen und innen vor Feinden schützt.
In dem Maße, wie der Staat seine Bürger sich selbst organisieren lässt, wie sehr er sie nicht belästigt, wird das Gemeinwesen prosperieren.
Geht dieses Wissen um diese ursächlichen Zusammenhänge aus Eigentum, Tausch und Arbeitsteilung, Freiheit, Liberalismus und Zivilisation verloren, ist der menschliche Fortschritt gefährdet.
In China starben unter der Mao-Ära 50-100 Millionen Menschen an den Folgen der Kulturrevolution. Die meisten von ihnen verhungerten aufgrund der Misswirtschaft.
Nach den Schätzungen der damaligen UN-Experten wären weitere 300-500 Millionen Menschen verhungert, wenn die Kommunistische Partei Chinas nicht in den späten 1970ern angefangen hätte, das Land marktwirtschaftlich zu reformieren.
Es ist daher nicht übertrieben zu sagen, dass nur der Liberalismus das Überleben der Menschheit sichert.
Wir heute Lebenden sind sicher in einer komfortableren Position. Heute machen sich Positionen auf, den Liberalismus auszuhöhlen, die eher eine Ausbremsung, Einhegung, Regulierung der freien Wirtschaft und des freien Bürgers wünschen, als seine vollständige Abschaffung.
Wir könnten in eine Phase der kulturellen Erstarrung eintreten. Helmut Krebs spricht von einer gesellschaftlichen Sklerose durch die Macht der akademischen Mittelschichten.
Es ist daher das Gebot der Stunde, an die Kraft des Liberalismus zu erinnern. Wir haben zu jedem Zeitpunkt die Wahl.
Wir können weiterhin die großartige Kraft freier Kooperation ausreizen und durch technologische Innovationen und schnelle wirtschaftliche Adaption nach den Sternen greifen.
Die digitale Revolution ist eine gigantische Ausdehnung an Konsummöglichkeiten. Sie entphysikalisiert unsere Produktwelt auf eine radikale Weise. Die Zukunft könnte ein Maß an Vernetzung, Verbreitung, Geschwindigkeit und Energie bedeuten, das wir uns heute nur schemenhaft vorstellen können.
Es gibt die Möglichkeit, durch Deregulierung, Öffnung von Märkten, breitere Zulassung von Einwanderung, Öffnung für Kapital, Ideen und Menschen eine positive Zukunft zu erreichen, die nicht in nationalistische Grabenkämpfe, eine überregulierte Öko-Diktatur oder in einen chinesischen Überwachungsstaat mündet.
Das liberale Ideal einer Gesellschaft freier und mündiger Bürger bleibt bestehen und kann uns als Leitstern dienen.