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Effektiver Altruismus – ist das möglich?

Die Bewegung des effektiven Altruismus verspricht, sich nicht mehr naiv den Weltproblemen der Menschheit zu widmen, sondern auf wissenschaftlicher Grundlage Gutes zu tun. Hauptsächlich wird die Cost-Benefit-Analyse der Ökonomik verwendet, um zwischen Handlungsalternativen die beste auszuwählen. Doch ist das überhaupt möglich?

Beispielsweise soll mit dieser Methode entschieden werden, ob die Bekämpfung von Malaria in Afrika durch Aufklärungskampagnen oder durch kostenlos ausgegebene Moskitonetze besser ist.

Auf begrenztem Territorium und bei Problemen mit begrenzter Komplexität leistet diese Methode auch gute Dienste. Denn sie lässt uns klarer sehen, wie viel wir mit einem Dollar in der Hand an verschiedenen Punkten auf der Erde oder innerhalb einer Gesellschaft ausrichten können.

Wo der eine Dollar die größte positive Wirkung entfaltet, sollte er ausgegeben werden, so die Devise.

Doch das zentrale Problem der Weltenretteridee an sich wird vom effektiven Altruismus nicht angegangen. Das von Friedrich August von Hayek herausgestellte Problem der Wissenszentralisierung steht ihr meiner Ansicht nach im Weg.

Nach Hayek übersteigt die Komplexität der Großgesellschaft, wie sie durch die Moderne gekennzeichnet ist, die Möglichkeit, alles relevante Wissen der Gesellschaft an einer zentralen Stelle zu verwalten oder überhaupt zu speichern.

Das bedeutet, dass wir überhaupt nicht wissen, wie wir am besten helfen können. Die Kosten-Nutzen-Analyse setzt voraus, dass man die Ergebnisse des eigenen Handelns genau überblicken kann.

Der Eingriff in die Gesellschaft gleicht dann einem Laborexperiment, in dem man die kausalen Wirkungsketten nahezu perfekt isolieren kann.

Doch in der Realität ist das nicht gegeben.

Nehmen wir ein Land wie Somalia. Ein solches Land hat so viele Probleme gleichzeitig: Korruption, Hunger, Missernten, Analphabetismus, Frauenunterdrückung, Rechtlosigkeit, Terrorismus durch Islamisten usw.

Man kommt dann wieder auf den Punkt der Unterentwicklung zurück. Die vielen Einzelprobleme hängen an der Unterentwicklung Somalias, nicht daran, dass man sich mit einer bestimmten Geldsumme um ein einzelnes Problem kümmern müsste.

Weil das Land arm ist, gibt es mehr Krankheiten. Weil das Land arm ist, müssen die Kinder zuhause bei der Arbeit helfen, statt in die Schule zu gehen.

Das Land ist arm, weil die Kultur Aufstieg und Wohlstand verhindert.

Clanstrukturen im Kleinen verhindern eine freie Wirtschaft, eine offene Gesellschaft und die Freiheit des Individuums.

Im Großen verhindern sie eine demokratische und liberale Regierung, die ohne Vetternwirtschaft das Allgemeinwohl befördert. Ein Rechtsstaat oder überhaupt das stiftende Nationalgefühl eines Nationalstaates kommt nicht auf.

Jeder Clan oder jede ethnische Gruppe kämpft daher für sich und ihre Privilegien.

Da wir nicht wissen, wie wir ein Land aus dieser Unterentwicklung zu einem hochentwickelten Land verwandeln können, nutzt uns die Kosten-Nutzen-Analyse auch nichts.

Das scheint mir der wesentliche Irrtum des effektiven Altruismus zu sein. In begrenzten Problemkreisen und vor allem im Westen mit einer hohen Datenbasis kann diese Methode höchst nützlich sein und sollte, so weit es möglich ist, in sozialen Problemen auch angewandt werden.

Denn es überkommt das Problem, dass verschiedene Gruppen in der Demokratie um ein Alles-oder-Nichts-Prinzip kämpfen. Entweder wir bekommen eine Subvention oder eine Hilfe oder wir unterstützen die Gegenseite nicht.

Die Kosten-Nutzen-Analyse kann aufzeigen, an welcher Stelle staatliches Geld aktuell den höchsten Nutzen zeitigt, wenn man über die Auswirkungen der Reform gute Daten vorfindet.

Diese Daten werden trotzdem immer aus der Vergangenheit stammen und aus ihnen gewonnene Analysen sind damit nur Prognosen. Sie können auch hier keine absolute Sicherheit versprechen.

Das Problem der Unwissenheit stellt sich in entwickelten Gesellschaften daher auch, nur in abgewandelter Form.

Daher lehne ich den effektiven Altruismus als neue Leitidee für den Westen, was das Problem der Entwicklungshilfe angeht, ab. Wir wissen zu wenig, um andere Länder aus ihrer Misere zu befreien.

Man kann Know-How, Kapital und Zusammenarbeit anbieten, wo beide Seiten profitieren, aber altruistische Hilfe scheint auf diesem globalen Spektrum überhaupt nicht zu funktionieren, was die größtenteils versickerte Entwicklungshilfe des Westens in Milliardenhöhe an afrikanische Staaten eindrücklich bewiesen hat.

Statt unseren Altruismus wissenschaftlicher zu verpacken, sollten wir uns fragen, ob der Drang, die Welt retten zu wollen, eine sinnvolle politische Idee ist.

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