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der wokismus erstickt die freiheit.

„In den USA gibt es keine einzige Ivy-League Universität mehr, die sich nicht dem woken Zeitgeist gebeugt hat.“ Dies stellte ernüchtert die Feministin und Philosophin Ayaan Hirsi Ali an der Universität Luzern, am 25. Oktober 2022, in einem Vortrag zum Stand der freien Rede im Westen fest.

Als sie in den 1990er Jahren in den Westen, nach Holland, vor der Zwangsverheiratung geflohen sei, habe sie noch einen Westen vorgefunden, wie sie ihn sich erträumt hatte. Der Westen entsprach dem, was sie aus Büchern über ihn gelesen und das sie sich erhofft hatte: Der Westen sei damals wohlhabend, frei und tolerant gewesen.

Doch in den letzten 25 Jahren seien immer mehr Risse in diesem Bild entstanden. So stark, dass sie mittlerweile den „Wokismus“, wie sie die Ideologie der woken Bewegung nennt, als die grösste Bedrohung der Freiheit in den USA ansieht.

Der Wokismus sei eine grössere Bedrohung als der Islamismus und die „White Power“ Bewegung zusammengenommen. Wenn das eine Frau sagt, die nur noch mit Personenschutz in die Öffentlichkeit treten kann, weil sie von Islamisten mit dem Tode bedroht wird, steht es wirklich schlecht um die freie Rede im Westen.

Sie fuhr fort, dass der Wokismus deshalb so gefährlich sei, weil er eine derart weite Verbreitung unter Akademikern geniesse. Er habe eine Welle an Intoleranz losgetreten, gerade unter den gebildeten Schichten, die ihresgleichen sucht. Wie soll die freie Rede, der offene Diskurs überleben, wenn die Einrichtungen der Bildung und der Debatte von ihr im Kern infiziert sind?

Ich will Ayaan Hirsi Alis Gedanken noch weiterspinnen. Der Kern des Wokismus ist die These, dass das Geschlecht eine hauptsächlich soziologische Kategorie sei und deshalb die Biologie keine grosse Rolle spiele. Der freie Mensch könne sein Geschlecht und seine Geschlechterrolle frei wählen.

Diese These ist gefährlich, weil sie einfach unwahr ist. Die Biologie legt sicher nicht das Verhalten der Geschlechter zu 100% fest, aber zu einem sehr grossen Anteil. Wir können unsere biologischen Instinkte und unser Sexualverhalten nicht einfach abstreifen.

Dazu bleiben Geschlechtsumwandlungen unperfekt. Sie sind im Kern Prothesen. Man wird nicht eine Frau, wenn man sich operieren lässt, sondern eine Transfrau. Ein Mann mit einer Vagina-Prothese. Oder als Transmann eine Frau mit Penis-Prothese. Dazu sind die Hormontherapien noch unausgereift und gleichen nur dürftig die Hormonhaushalte des Umgewandelten an den Haushalt einer wahren Frau oder eines echten Mannes an. Der Komplexität des menschlichen Körpers geschuldet, ist eine wahre Geschlechtsverwandlung unmöglich.

Hier werden meist auch einfache logische Fehler begangen. Um eine Transperson zu tolerieren und in ihrem Anders-Sein anzuerkennen, muss man den biologischen Unterschied zu Mann oder Frau nicht leugnen. Zu sagen, dass eine Transfrau niemals eine echte Frau sein wird, bedeutet nicht, einer Transperson ein Recht auf Selbstbestimmung und Würde abzusprechen.

Tatsachen können nicht diskriminieren. Sie sind einfach Tatsachen.

In der Negierung des Biologischen zeigt sich der Machbarkeitswahn des Wokismus. Der neue Mensch ist nicht mehr kommunistischer gleichrangiger Proletarier (Negierung ökonomischer Gesetze), sondern geschlechtsloser Mensch.

Da jede sexuelle Selbstdefinition verschwimmt, da jede Geschlechterrolle nur ein Spektrum beliebiger Kombinationen darstellt, so die Hoffnung der woken Aktivisten, wird die Diskriminierung der heterosexuellen Mehrheit über die Minderheiten ein Ende haben.

Wir müssten nur erkennen, dass wir eigentlich alle trans* sind, alle abnormal, niemand eine eindeutige Geschlechtsdefinition besitzt.

Wenn die Heterosexuellen endlich das Joch des Patriarchats erkennen, werden wir endlich frei sein.

Diese These wird erweitert zu der Vorstellung, dass die westliche Gesellschaft im Kern von einem harten Geschlechterkampf geprägt ist. Toxische Männlichkeit ist überall präsent und überall verdeckt am Werk.

Die westliche Gesellschaft sei im Kern ein Patriarchat und unterdrücke Frauen, Homosexuelle, Transpersonen und alle anderen sexuellen Minderheiten.

Das Patriarchat ist gebildet aus alten weissen Männern, die an der ökonomischen und politischen Spitze des Gemeinwesens stehen und diese Hackordnung nicht in Frage stellen wollen, weil sie davon profitieren. Hier sehen wir eine geistige Nähe des Wokismus zu Verschwörungstheorien.

Die alten weissen Männer haben sich durch Gewalt über die Jahrhunderte an diese Spitze gesetzt und nun müssen sie von dort wieder entfernt werden. Ihre Perspektive ist unmoralisch und egoistisch, während die Perspektive der Woken die Gesellschaft befreit und den Unterdrückten endlich eine Stimme verleiht.

Man muss in dieser Sichtweise daher den Westen überwinden, um den Weg zu einer wahrhaft toleranten Gesellschaft zu beschreiten.

Der Rechtsstaat mit seiner Toleranz der gleichen individuellen Freiheitsrechte reicht dem Wokismus nicht aus. In der Idee der angeblich strukturellen Benachteiligung von Minderheiten im Westen liegt der intolerante Kern des Wokismus. Wer nicht glaubt, mit allgemeinen Gesetzen die Freiheit aller erhöhen und schützen zu können, der muss zu anderen Mitteln greifen.

Daher hier ganz klar der Unterschied: Wokismus ist nicht der Wunsch nach rechtlichen Reformen und nach mehr Akzeptanz für Transpersonen. Wokismus ist der Wille zur Überwindung der liberalen Gesellschaft. Wokismus ist der Hass auf Maskulinität, auf die Geschichte und das Erbe des Westens.

Spricht man bspw. heute aus, dass eine Transfrau keine echte Frau ist, wird man von der woken Bewegung gecancelt. Man sei intolerant und transphob. Die Sprachgesetze des Wokismus dienen zur Einschüchterung und zur Unterjochung.

Niemand darf mehr ungestraft reden und die woke Bewegung kritisieren. Man darf sie sogar nur noch in der von ihnen festgelegten Sprache kritisieren. Jede Formulierung wird auf die Goldwaage gelegt. Jederzeit kann man einer transphoben und intoleranten Formulierung überführt und aus dem Sozialleben entfernt werden.

Sprache ist das Medium der Gesellschaft. Sprache ist selbst Kultur und Zivilisation. In der Schönheit der deutschen Sprache spiegeln sich Jahrhunderte der Dichtkunst, der Belletristik, der Wissenschaft.

Sie zu zerstören, ist schon an sich ein Verbrechen. Die woke Bewegung erzeugt einen Sprachstil, der einem Sprachfehler ähnelt. Die Sätze werden abgehackt, der Gedankengang ausgebremst, die Eleganz jeder Formulierung in Lächerlichkeit verdreht. Wer das Denken mit Absicht stören wollte, müsste sich die Gendersprache ausdenken.

Es ist als zähle Eleganz, Effizienz, Rationalität und Kultur keinen Deut mehr, sondern werde ohne jeden Kompromiss unter das Primat der neuen Moral gestellt.

Freie Rede braucht Mut. Freie Rede braucht eine Kultur, in der man es den Einzelnen leicht macht, die Angst vor Ablehnung und Einschüchterung der grossen Mehrheit der anderen zu überwinden. Wenn man planen wollte, die freie Rede abzuschaffen, müsste man nur so vorgehen wie die Woken.

Nichts ist besser als ein Klima der Angst, der geistigen Engführung, der Moralisierung jedes gesellschaftlichen Konflikts.

Die freie Gesellschaft braucht Streit als Lebenselixier. Ohne den Streit kann sich kein Pluralismus abbilden. Pluralismus heisst, dass unterschiedliche Vorstellungen miteinander kollidieren. Dies braucht hohe zivilisatorische Standards, denn der Mensch droht immer, bei harten Konflikten in die Gewalt als Mittel der Wahl abzusinken.

Das ist der Grund, warum es vielen Menschen angenehmer erscheint, wenn man unbeliebte Meinungen einfach cancelt, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die Meinung soll verschwinden, dann muss man sie nicht mehr wahrnehmen, dann kann sie nicht mehr für Irritationen sorgen.

Die freie Gesellschaft versucht, den Pluralismus durch Versachlichung der Debatten, durch rationales Aushandeln, letztlich durch das Vertrauen auf Aufklärung und Vernunft zu befrieden.

Die Vernunft und nicht das sich Verletzt-Fühlen ist die Basis der Zivilisation. Rache und Anklage sind tribalistische Motive zum ewigen Zank. Der Wokismus kann deshalb nur zerstören. Er kann nichts Produktives aufbauen. Denn selbst innerhalb der woken Bewegung kann man sich nie auf ein Programm einigen.

Was ist die richtige Gendersprache? Wie sieht eine perfekt gendergerechte Gesellschaft überhaupt aus? Die woke Bewegung argumentiert nicht mit klaren politischen Vorstellungen sondern mit wachsweichen Luftschlössern.

Starke Individuen kann man in einer Kultur des Cancelns ebenfalls nicht erwarten. Denn jeder, der sich aus der Deckung traut, und unkonventionelle Ideen vorträgt, kann mit dem harten Mittel des Ostrazismus bestraft werden. Wer will schon freiwillig ein Ausgeschlossener sein und das für ein paar harmlose Worte, die er äusserte?

Statt eine Befreiung des Individuums herbeizuführen, führt der Wokismus zu einem erneuten Aufbäumen des Kollektivismus. Der Ergötzung an der Gruppenmeinung, am Aufbau einer Gesellschaft der guten Menschen.

Um die Geschichte auf die Spitze zu treiben, dauerte es keine 24 Stunden nach dem Auftritt von Ayaan Hirsi Ali, bis das feministische Kollektiv der Universität Luzern die Cancelung der Vortragsreihe forderte. Ja, es steht schlecht um die freie Rede im Westen.

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